Rückstandsanalytik von Dithiocarbamaten in Lebensmitteln

Geplante Änderungen der Rückstandshöchstgehalte und Rückstandsdefinition
April 2025. Die Europäische Kommission hat im April 2024 einen Entwurf der Änderungsverordnung Plan/2023/2019[1] veröffentlicht, mit der die Rückstandshöchstgehalte und die Rückstandsdefinition für die Pestizidgruppe der Dithiocarbamate in der bestehenden Verordnung Verordnung (EG) Nr. 396/2005 angepasst werden sollen. Durch die Änderungen sollen zukünftig Störfaktoren bei der Analyse von Dithiocarbamaten wie z.B. natürliche Quellen von Schwefelkohlenstoff (CS2) berücksichtigt werden.
Wir geben Ihnen einen kompakten Überblick über:
- Rückstandshöchstgehalte von Dithiocarbamaten in Lebensmitteln
- Einsatzgebiet, Wirkmechanismus und toxikologische Bedeutung
- Besonderheiten bei der analytischen Bestimmung von Dithiocarbamaten
- Rechtliche Einordnung
- Kontakt zu unseren Expert:innen
Rückstandshöchstgehalte von Dithiocarbamaten in Lebensmitteln
Der Einsatz von Pestiziden ist ein fester Bestandteil der konventionellen Landwirtschaft. Zur Harmonisierung von Rückstandshöchstgehalten (RHG) hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs entsprechende RHG auf europäischer Ebene definiert. Diese RHG stellen gemäß Artikel 3(d) die höchste zulässige Menge eines Pestizidrückstandes auf Lebens- und Futtermitteln dar, die zum Schutz gefährdeter Verbraucher notwendig ist. Die RHG sind dabei jedoch nicht unveränderlich und können abhängig von der Zulassung der jeweiligen Pestizide in der EU und von Neubewertungen sowie Risikoabschätzungen der einzelnen Substanzen im Rahmen von Änderungsverordnungen an die Datenlage angepasst werden. Eine solche Änderungsverordnung liegt unter anderem derzeit für Dithiocarbamate vor.
Einsatzgebiet, Wirkmechanismus und toxikologische Bedeutung
Die Wirkstoffgruppe der Dithiocarbamate ist eine seit Anfang des 20. Jahrhunderts häufig verwendete Klasse von Fungiziden, die häufig im Obstbau auf Saatgut sowie im Tee und Tabak-Anbau eingesetzt wird[2]. Die Verbindungsklasse beschreibt Derivate der Dimethyldithiocarbamidsäure und Alkylen-bis-dithiocarbamidsäuren. Die chemische Struktur dieser Pestizidverbindungen beinhaltet u. a. ein Metallion, Stickstoff, Kohlenstoff sowie Schwefel. Die Wirkung basiert dabei auf den Dithiocarbamat-Anionen, welche bei der Metabolisierung der Dithiocarbamate entstehen. Diese weisen eine hohe Reaktivität und Chelatbildung auf, welche eine Hemmung von katalytischen und regulativen Gruppen von Enzymen bewirkt[3,4,5].
Toxische Effekte können nach dermaler, inhalativer oder oraler Aufnahme von Dithiocarbamaten auftreten. Die Hauptexposition wurde durch eine orale Aufnahme der Fungizide beschrieben, aber auch eine tätigkeitsbedingte Exposition kann eine wichtige Expositionsquelle darstellen. Neben dem Einsatz als Fungizide werden einige Vertreter der Dithiocarbamate auch in industriellen Herstellungsprozessen wie beispielsweise der Vulkanisierung von Latex-Handschuhen eingesetzt. Insbesondere aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften können Dithiocarbamate gut in Zellen aufgenommen werden[6,7,8]. Von toxikologischer Bedeutung sind aber vor allem die Abbauprodukte von Dithiocarbamaten, wie z.B. Ethylenthioharnstoff (ETU), für welchen unter anderem Schilddrüsen schädigende bzw. endokrin disruptive, teratogene und kanzerogene Wirkungen beschrieben wurden[8,9,10,11].
Besonderheiten bei der analytischen Bestimmung von Dithiocarbamaten
Aufgrund der Komplexität der Wirkstoffklasse sowie der physikochemischen Eigenschaften werden Dithiocarbamate in der Regel indirekt über den in allen Dithiocarbamaten vorkommenden Schwefelkohlenstoff (CS2) quantifiziert. Dieser wird analytisch beispielsweise mit der DFG S15 Methode bestimmt. Für die Analyse werden die Proben in saurer Salzlösung erhitzt, wodurch das leichtflüchtige CS2 freigesetzt und abdestilliert werden kann. Die CS2-Konzentration wird abschließend UV-spektroskopisch bestimmt.
Im Analyse- und Auswertungsprozess müssen jedoch auch natürliche CS2-Quellen wie Kreuzblütler und Lauchgewächse sowie die Vermeidung von vulkanisierten Latex-Handschuhen berücksichtigt werden. Zusätzlich muss sowohl bei der Probenvorbereitung als auch im Laborprozess beachtet werden, dass sich Dithiocarbamate zum Teil schnell zersetzen. Je nach Art und Länge der Lagerung der Proben können CS2-Vorläufer gebildet werden, wodurch es zum Verlust von CS2 kommen kann, was das Ergebnis der Analyse beeinflusst[12].
Rechtliche Einordnung
Für die aktuell gültige Rückstandsdefinition "Dithiocarbamate (Dithiocarbamate ausgedrückt als CS2, einschließlich Maneb, Mancozeb, Metiram, Propineb, Thiram und Ziram)“ sind die RHG in der Verordnung (EG) Nr. 2017/171 geregelt. Im Rahmen der geplanten Änderungsverordnung soll zusätzlich zur Anpassung der RHG die Rückstandsdefinition in „Dithiocarbamate (Dithiocarbamate, bestimmt und ausgedrückt als CS2)“ geändert werden. Insbesondere, da analytisch nicht direkt auf die eingesetzten Einzelsubstanzen geschlossen werden kann, sondern eine Bestimmung von CS2 erfolgt.
Da aufgrund natürlicher CS2-Quellen mancher Pflanzen der Eindruck einer Anwendung von Dithiocarbamaten entstehen könnte, sollen mit der geplanten Änderungsverordnung zukünftig auch natürliche CS2-Konzentrationen bei der Festlegung der RHG berücksichtigt werden. Eine Anhebung der jeweiligen RHG auf natürlich vorkommende Level, die im Rahmen einer Auswertung von CS2-Gehalten in Bio-Lebensmitteln ermittelt wurden, ist vorgesehen. Für Produkt-RHG-Kombinationen, bei denen, bezogen auf die bisherigen RHG, ein Risiko für die Verbrauchenden nicht ausgeschlossen werden kann, sind entsprechend Absenkungen der RHG geplant.
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Quellen
[1] Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zur Änderung der Anhänge II und III der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 der Europäischen Kommission (engl.)
[2] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2022). „Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln“ Kurzfassung. Nationale Berichterstattung 2020 der Bundesrepublik Deutschland - Kurzfassung
[3] Rubino, F., E. Mrema, and C. Colosio (2014). "Pesticide residues: dithiocarbamates." Encyclopedia of food safety. Elsevier. pp. 5-10.
[4] Morrison, B. W., Doudican, N. A., Patel, K. R., & Orlow, S. J. (2010). Disulfiram induces copper-dependent stimulation of reactive oxygen species and activation of the extrinsic apoptotic pathway in melanoma. Melanoma Research. Vol. 20, pp. 11-20
[5] Campanale C, Triozzi M, Ragonese A, Losacco D, Massarelli C. (2023). Dithiocarbamates: Properties, Methodological Approaches and Challenges to Their Control. Toxics. doi: 10.3390/toxics11100851. PMID: 37888701; PMCID: PMC10610574.
[6] Rath, Narayan & Rasaputra, Komal & Liyanage, Rohana & Huff, Gerry & Huff, William. (2011). Dithiocarbamate Toxicity - An Appraisal. 10.5772/18307
[7] National Institute for Occupational Safety and Health. (1990). National Occupational Exposure Survey (1981-83). Retrieved from https://www.cdc.gov/niosh/docs/89-102/89-102.pdf
[8] Mutic AD, Baker BJ, McCauley LA. (2017). Deleterious Effects From Occupational Exposure to Ethylene Thiourea in Pregnant Women. Workplace Health & Safety. doi:10.1177/2165079916687312
[9] Edwards, I.R., D.H. Ferry, and Temple W.A. (1991). Fungicides and related compounds. In:Handbook of Pesticide Toxicology, v3, W.J. Hayes, Jr. and E. R. Laws, Jr. editors AcademicPress, San Diego, CA. Pp 1409-1470
[10] DeCaprio, A. P., Spink, D. C., Chen, X., Fowke, J. H., Zhu, M., & Bank, S. (1992).Characterization of isothiocyanates, thioureas, and other lysine adduction products in carbon disulfide-treated peptides and protein. Chemical Research in Toxicology. Vol. 5, pp. 496-504
[11] Houeto, P., Bindoula, G., & Hoffman, J. R. (1995). Ethylenebisdithiocarbamates and ethylenethiourea: possible human health hazards. Environmental Health Perspectives. Vol. 103, pp. 568-573
[12] WHO (1988). Environmental Health Criteria 78 Dithiocarbamate Pesticides, Ethylenethiourea and Propylenethiourea: A General Introduction. International Programme On Chemical Safety; Geneva, Switzerland